Samstag, 30. August 2014

Konfrontationstherapie

"It's all about the smiles, not the miles"

Um mein Missgeschick aus dem letzten Jahr wiedergutzumachen, fuhren wir auch diesen Sommer nach Dänemark. Diesmal aber mit stattlicher achtköpfiger Besatzung, wobei die beiden Kapitäne zwar nur halbe Portionen sind, dafür aber mitten in der Nacht gerne mal Alarm schlugen und die gesamte Mannschaft aus der Koje jagten.


Der diesjährige Auslandseinsatz war dann auch besser geplant: Beim "Faaborg Outdoor Event" sollte am Samstag die MTB-Fraktion auf ihre Kosten kommen, während ich am Sonntag beim "Outdoor Trail" ("Outdoor" muss man ja dank Plan B heutzutage mitschreiben) teilnehmen wollte. Diesmal gab es nur einen Halbmarathon, also wenig Chancen auf eine Wiederholung des Missgeschickes aus dem Vorjahr. Und ein Wörterbuch habe ich von meiner Liebsten auch noch kurz vor dem Urlaub bekommen. Damit sah ich mich absolut auf der sicheren Seite.

Die Strecke sollte über die "Svanninge Bakker" (Bakker = Hügel) führen, die auch als die "südfünischen Alpen" bekannt sind und in dem Lerbjerg auf grandiosen 126 m über dem nicht weit entfernten Meeresspiegel gipfeln. Nun klingt das alles erstmal nicht sehr herausfordernd, aber ich habe die Schlauigkeit besessen, mir die Gegend mal laufender Weise anzuschauen. Was soll ich sagen: richtig geniales Terrain für einen Crosslauf! Es gibt unzählige steile Hügel und unglaublich viele wunderschöne Trails in der Gegend! Laut Streckenausschreibung sollte es sogar fast ausschließlich auf diesen Trails entlang gehen. Leider sollte es keine Streckenkarte online geben und so wusste ich bis zum Start nicht, was mich denn nun wirklich erwarten würde.

Am Samstag waren dann erstmal die Mountainbiker dran. Die verfuhren sich auch mehrmals und wir fanden auch die Strecke nicht, da es ja keine Informationen gab. So kam mein Schwager etwas dehydriert als Zweiter ins Ziel. Immerhin konnte Laura die Damenkonkurrenz dominieren und mein Lieblingsschwiegerpapa kam mit einer Trinkflasche auch mehr als aus.

Am Sonntag war ich nun dran. Im Hafenbecken von Faaborg gab es die Startnummer und endlich einen Streckenplan. Nun hatte ich wenigstens eine entfernte Vorstellung von dem, was mich erwarten sollte. Dachte ich zumindest...

Im Bus ging es dann vom Hafen zu dem auf 80 Höhenmetern gelegenen Start. Wenn man schon nur wenig Höhendifferenz hat, brauch man sie ja auch nicht nutzen. Immerhin soll der Lauf etwa 500 Höhenmeter haben, die bei den relativ geringen Höhenunterschieden wahrscheinlich recht mühsam zusammengeklaubt werden, dachte ich mir. Der Streckenchef gab dann auch eine Einweisung, bei der er wild mit den Armen fuchtelte und der alle aufmerksam folgten. Ich auch. Leider verstand ich nichts. Wird schon nicht so wichtig gewesen sein...

Ein Wort verstand ich dann doch. Bei "Braveheartstart" sah ich vor meinem inneren Auge sofort, was gemeint war. An einer ewig langen Startlinie brettern alle Teilnehmer los und versuchen, sich auf dem schmalen Trail einzureihen. Interessanterweise hat das sogar besser funktioniert, als ich gedacht hätte. Ich war gut in der Spitzengruppe dabei und es ging recht gemäßigt los.

Schon auf dem ersten Kilometer verließen wir den Trail und rannten mal eben quer über die Wiese, die von tiefen Graben durchzogen war. Ich setze mich daraufhin an die Spitze, da mir die Führungsgruppe deutlich zu groß für die schmalen Trails war. So führte ich das Feld in die ersten knackigen Anstiege und feierte den Streckenverlauf. Alsbald setzten sich dann auch "meine" beiden Favoriten ein Stück ab, zwei starke dänische Orientierungsläufer, die schon WM-Medaillen gesammelt haben.

Das nachfolgende Terrain spielte ihnen dann auch in die Hand, denn immer öfter bemerkte ich die Abwesenheit eines Weges. Dafür aber Matsch, Schlamm und allerlei quer liegendes Gehölz. Über einen recht großen Asthaufen sprangen die beiden Kollegen einfach drüber, während ich versuchte, mich nicht zwischen den Ästen vollends zu verheddern.

Laut Streckenbeschreibung sollten etwa fünf steile Anstiege im Mittelteil kommen. Irgendwann dachte ich, dass ich doch sicher schon die 50. Rampe hoch renne. Unrhythmischer kann man einen Streckenverlauf nicht wählen, aber spaßig ist es allemal. Aber eben auch durchaus anstrengend. Zumindest anstrengender, als irgendwelche urbanen Hindernissen zu umschiffen...

Irgendwann merkte ich dann auch langsam, wie die Ermüdung die Beinchen emporkrabbelte. Natürlich ging es dann den berüchtigten Lerbjerg hoch. Satte 35 Höhenmeter auf 250 m Strecke (laut Wörterbuch). Oben war ich dann dem Infarkt recht nahe, aber während auf ganz Fünen im Abstand von 200 m "Hjertestarter" zu finden sind, herrschte hier oben im alpinen Gelände akute Unterversorgung. In Verbindung mit diesem Streckenverlauf eindeutig unverantwortlich!

Nach weiteren - zunehmend neudeutsch "flowigen" - Trails erreichten wir auf den letzten fünf Kilometern den Øhavsstien, einen Wanderweg entlang des Inselmeers. Nach ein paar steilen Rampen und einigen Leitern über Mauern ging es dann auf Feldern und Wiesen mit toller Aussicht hinunter nach Faaborg. Noch immer war zumindest Platz Zwei in Sichtweite und ich mobilisierte nochmal alle Kräfte. Das Ganze fand natürlich mit dem feinen Gegenwind aus Südwesten statt, der uns seit Urlaubsbeginn unglaubliche Freude machte.

Etwa zwei Kilometer vor Schluss erreichen wir einen Radweg und damit erstmals Asphalt. Ich schaltete schon die Koordination ab, da ich dachte, jetzt geht's nur noch geradeaus. Natürlich bogen wir direkt danach noch einmal in einen Sumpf ab, welcher sich durch außergewöhnliche Sumpfigkeit und die erneute Abwesenheit von wegähnlichen Bebauungen auszeichnete. Einzig ein paar Flatterbänder kamen ihrer flatternden Aufgabe nach und flatterten im Dickicht. Nachdem ich also noch einmal fast versumpfte und mehrmals die Strecke suchen musste, kamen wir dann final auf festem Boden an. Nun war der einheimische Läufer aber entgültig entwischt und ich ließ es austrudeln. 

Einige hundert Meter vorm Ziel piepste dann meine Garmin mit der Frage, ob sie sich in den Ruhestand begeben darf. Anscheinend hat das vermaledeite Gebüsch die Pause-Taste gedrückt - schönen Dank auch!

Mit etwa einer halben Minute auf Platz zwei bzw. zwei Minuten Rückstand auf den Sieger erreichte ich dann den Hafen und freute mich, dass ich der Siegerehrung - die wohl sehr lustig war - beiwohnen durfte. Verstehen tat ich kaum was, aber offenbar wurden "de hurtigste og de heldigste" geehrt. So endete auch mein diesjähriges dänisches Abenteuer mit einem zusätzlichen Salomon-Schuh, der anscheinend sogar schneller in Dresden war als die Fischis, die noch eine feine Sommerurlaubswoche genossen.

Fünen-Fischi

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