Freitag, 17. Oktober 2014

Die Letzten werden die Ersten sein

Es ist Donnerstagmorgen. Einem quengelndem Mini-Fischi dürstet es nach Milch. Dies reißt den steingleich schlafenden Vater unsanfst aus traumlosen Schlummer. Während die Raubtierfütterung beginnt fällt ihm auf: Hier ist irgendwas verkehrt.

Heute sollte der OSH-Lauf (von der Offizierschule des Heeres) sein. Das Leibniz-Institut ist dafür wie immer eingeladen. Start ist 7:30 Uhr nach einem Morgenappell. Der Wecker sollte 5:30 klingeln. Hat er noch nicht, es ist also mitten in der Nacht, dafür aber schon recht hell...

Tatsächlich ergibt ein Kontrollblick auf das Zeiteisen den Sachverhalt preis, dass es jetzt 6:58 Uhr sein soll. "Hä, kann doch nicht sein?" murmelte das verschlafene Fischi. Nachdem sich aber die Zahlenkombination auch nach mehrmaligen Hinschauen und Augenreiben nur marginal änderte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Wir haben ein Problem!

Wechseln wir mal in die Ich-Perspektive (ab jetzt bin ich ja auch wach):

Nachdem mir Elli freundlichst sprichwörtlich in den Allerwertesten getreten hat, beeile ich mich also, obwohl ich noch keinen Plan habe, wie ich rechtzeitig an der Kaserne sein soll. Fahrrad oder Auto? Fahrrad wird mehr-als-knapp, Auto ist unberechenbar. Ich schnappe mir spontan die Autoschlüssel - wenn ich es zum Start schaffe, dann war es wenigstens kein Duathlon...

Erstaunlicherweise fährt es sich für morgendlichen Dresdner Berufsverkehr ganz gut und ich komme recht flüssig vorwärts. Gut, es ist was anderes beim Schlüpfen von Finni mitten in der Nacht, wo wir nach etwa 5 Minuten in der Neustadt waren, aber es geht. Prädikat "Besser als erwartet".

Zumindest bis zur letzten großen Kreuzung, an der ich dann von 7:25 bis 7:29 stand. Game over. Ein paar Minuten nach dem Start biege ich in die Marienallee ein und sehe einen kleinen Stau, hervorgerufen durch die Streckensperrung. Ganz vorne leuchtet auch das Schlussfahrzeug. Ich schnappe mir also den erstbesten Parkplatz und spurte in die Kaserne, was dem Wachposten verständlicherweise supergut gefiel. Ich machte freundlich mein Anliegen deutlich, hier eventuell noch mitmachen zu wollen und wurde an den Meldetisch der Gäste verwiesen, welcher gerade weggeräumt wurde. Ich durfte nicht ins Gebäude rein, also machte ich mich von draußen freundlichst bemerkbar und wurde anscheinend erhört. Ich erhielt also meinen Sportident-Zeitmess-Stick (oder wie auch immer das Ding richtig heißt) und machte mich auf zum Start, wo - oh Wunder - der Abbauteufel auch schon wütete. Auf einem Tisch waren die Sensoren noch nicht demontiert und so durfte ich dort meinen Chip Reinstecken und nach einem erlösenden Piepton ging dann also die Verfolgungsjagd los. Ein Soldat grinste als ich mit den Worten "Mal sehen, ob ich noch gewinne." die Marienallee hinauf bretterte.

Jetzt muss man wissen, dass es das Heer mit DLV-Regeln nicht so ernst nimmt. So gilt bei diesem Lauf die reine Nettozeit. Jeder muss am Start seinen Chip zum piepen bringen und beim Zieleinlauf genauso (es ist immer schön mit anzusehen, wenn zwei Leute darum spurten, wer den Stick zuerst reinstecken darf...). Dieser Sachverhalt könnte mich also retten, wenn vorne im Feld alle mitspielen.

Noch vor dem ersten Kilometer erreichte ich das Schlussfahrzeug und die hintersten Läufer. Während das Feld bei "normalen" Läufen hinten recht dünn ist, bin ich hier sofort auf einen Pulk an Läufern aufgelaufen. Natürlich wurde es genau hier zunehmend enger und ging bergab. Ich war auf dem zweiten Kilometer also langsamer als beim ersten, der bergan ging. Ein paar Ausflüge in den Grünstreifen - besser bekannt als "Dresdner Heide" - musste ich dann auch aufgrund des Füllfaktors der Strecke unternehmen. Da konnte ich dann auch keine Rücksicht auf die nagelneuen Schühchen nehmen, die die Japaner ja unbedingt in WEIß!!! produzieren mussten. Gut, der Tag musste ja früher oder später kommen, aber später hätte auch gereicht. Ich hätte diesbezüglich auf meine Mutter hören sollen ("Kaufe keine weißen Laufschuhe!").

Um das sich in den Köpfen der Leser aufbauende Stimmungsgemälde zu verfeinern, sollte ich wohl noch erwähnen, dass es unaufhörlich regnete. Ich hatte selbstredend nicht die Zeit, die Kontaktlinsen einzusetzen, weshalb ich mit sehr bescheidenen Sichtverhältnissen Vorlieb nehmen musste. Den Abzweig zum "Bentler-Berg" verpasste ich nur nicht, weil die anderen auch dort lang sind.

Oben angekommen ging es prinzipiell nur noch den "Kannenhenkel" zurück zur Kaserne. Nun wurde das Überholen langsam mühsamer, da die Leute schneller wurden. Mittlerweile war ja auch ein Großteil des Feldes überholt. Im Beinahe-Blindflug ging es also in die letzten, etwas spannenderen weil trailigen, Passagen. Ein paar versprengte Truppen konnte ich noch ünerholen, bevor es ins Ziel ging.

Da standen auch schon ein paar Leute rum, darunter Kollege Marcel. Der Arme war letztes Jahr ebenfalls etwas spät dran und im Fernduell nur wenige Sekunden langsamer als ich. Auch dieses Mal  hatte ich den glücklichen Ausgang auf meiner Seite. Aber etwas weniger Nervenkitzel wäre auch in Ordnung gewesen.

Im Ziel konnte ich dann endlich das erledigen, was eigentlich frühs höchste Priorität hat und wofür irgendwie keine Zeit war...

Sollte jetzt wohl lieber nicht schreiben, dass ich mir zu Weihnachten einen neuen Wecker wünsche, denn dann bekomme ich wohl etwa zwanzig.

Fischi


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