Freitag, 12. September 2014

Plaste und Elaste


Wenn man im Kreise entfernter Verwandter als "Marathonläufer" vorgestellt wird, schmerzt es schon irgendwie, eine Richtigstellung abgeben zu müssen, dass man sowas aktuell mit Kind usw. nicht macht. Also muss dieser untragbare Zustand ja irgendwie geändert werden.


Die Idee dazu reifte im Urlaub. Eigentlich könnte man im Jahr 2014 ja doch noch einen Marathon laufen. Ob das jetzt ein Zeichen ist, dass Seeluft doch nicht immer so gesund ist, oder ob Wilma die Schuld zuzuschieben ist, weiß ich nicht so genau. Jedenfalls ging ich die Optionen im Laufkaleder durch, da es ja dieses Jahr mal nicht mit einen unabsichtlichen Marathon in Dänemark geklappt hatte.

Nachdem wir also wieder in heimischen Gefilden gelandet waren, freundete ich mich immer mehr mit dem Gedanken "MDM" an. Allein die Tatsache, dass wir mit unserem kleinen Rumpelkumpel gerade "spannende" Nächte durchmachen, stand dieser Idee noch etwas im Weg. Der Kleine hat es sich nämlich zum Ziel gesetzt, vier Zähne gleichzeitig ans Tageslicht zu befördern. Er schlägt sich aber tapfer und zwei hat er schon geschafft. Jedenfalls beschlossen wir erst am Freitag entgültig, dass ich am Sonntag nach Spergau fahre (sofern die Nacht einen schlafähnlichen Zustand zulassen würde).

Von dort sollte es durch "Mitteldeutschland" per pedes nach Halle gehen und im Zweifel mit dem Zug oder einem möglichen Shuttleservice zurück, falls die Familie Ruhe braucht. Logistisch etwas blöd, aber nach Halle zu fahren und dort vorm Rennen das Shuttle nach Spergau zu nehmen scheiterte an der Vorgabe, dass die Nachmeldung eine Stunde vor Start schließt. Jetzt weiß ich endlich, woher das Schild "Willkommen im Land der Frühaufsteher!" kommt.

Finni weckte mich dann auch pünktlich gegen halb sechs und zu meinem Erstaunen stand auch Elli gleich auf. Die Nacht war tatsächlich unerwartet ruhig verlaufen und so fuhr die ganze Fischerei ausgeruht am frühen Morgen Richtung Sachsen-Anhalt, um rechtzeitig vor Ende der Nachmeldefrist (8 Uhr) in der Jahrhunderthalle in Spergau einzufallen, was sogar gelang.

Um 9 Uhr erfolgte dann der Startschuss durch den einzigen Doppel-Marathon-Olympiasieger, der dabei immer Schuhe anhatte. Einige Staffelläufer bretterten los wie irre, ich dagegen erstmal recht verhalten. Ich war mir zwar ob der Distanz recht sicher, aber auf einen Marathon am absoluten Limit und eine ewig lange Regenerationsphase hatte ich keinen Bock. Ich wollte vielmehr den Marathon mal so eben "einschieben", was sich durchaus Richtung "ganz blöde Idee" hätte entwickeln können. Deswegen also vom Start weg recht flüssig, aber nicht an der Kotzgrenze.

Bis auf zwei Staffelläufer vor uns hatten sich alle anderen recht schnell erledigt. Bei km 2 war ich an der zweiten Position mit etwa 50m Rückstand auf den führenden Läufer vom LAV Hallensia, dem ich ganz langsam näher kam. Interessanterweise hatte meine Garmin schon nach wenigen Kilometern etwa 150m Rückstand auf die Kilometermarkierungen, und das bei recht freier Strecke ("Kartoffeln, bis zum Haaarz"). Bei km 4 wechselten die Staffeln das erste Mal, beide auf jemand Langsameren, womit sie auch "aus dem Rennen" waren.

Nach sechs Kilometern war die Einführungsrunde beendet und wir wieder in Spergau. Es folgten landschaftlich tolle Kilometer entlang der Chemiewerke Leuna, gefolgt von etwas Gewusel durch Leuna. Zwischendurch hatte ich den Führenden eingeholt und nach einem Kilometer Gequatsche auch überholt. Er wollte 4 min/km laufen und eine Endbeschleunigung setzen. Ich verabschiedete mich mit "Vielleicht sehen wir uns ja nochmal wieder!" nach vorne. Also nicht ganz. Platz eins ging an die Polizei, vor Zeitmessauto, vor Fahrradfahrer, danach erst Fischi.

Nach etwa 18 km erreichte unsere kleine Karawane Merseburg und bald darauf war die erste Rennhälfte beendet. Kurz danach kam ein Radfahrer, der den späteren Drittplatzierten begleitete, vorbei und meinte, dass mein Verfolger ausgestiegen sei und ich bereits fünf Minuten Vorsprung hätte. Ich bedankte mich für die Info, leitete sie an die Beinchen weiter und bekam nur die Antwort, dass eigentlich alles in bester Ordnung ist und wir bitte nichts ändern. So ging es also schön flüssig über die immer welliger werdende Landstraße bei strahledem Sonnenschein und schönem warmen Wetter. Im Vergleich zu meinen Kämpfen mit Wilma in den Wochen zuvor ging alles so viel leichter.

Es ging also weiter durch eine Menge Orte: Schkopau (dem Namensgeber dieses Berichts), Korbetha, Rattmannsdorf, Hohenweiden, Rockendorf, Holleben, Schlettau und Angersdorf (muss man alles wohl nur kennen, wenn man aus der Ecke ist) - immer der Landstraße folgend mit ein paar Wellen. In fast jedem Ort gab es auch ein paar Stimmungsnester - dank Nachmeldung war ich aber den Sprechern gänzlich unbekannt.

Bei km 34 kam der Radfahrer nochmal. Diesmal ziemlich abgekämpft, da er viele Minuten zugefahren hat. Mittlerweile waren es deren Sieben auf Platz Zwei. Nun kann ja eigentlich nichts mehr passieren, dachte ich mir. Naja, bis auf das, was bei einem Marathon alles so nach km 35 passieren kann.

Trotzdem änderte ich auch zwischen den ersten Plattenbauten von Halle nichts am Plan. Dann folgte etwa 5 km vor Schluss die Magistrale - eine für uns halbseitig gesperrte Schnellstraße, die fast schnurgerade Richtung Hallenser Altstadt und damit fast bis zum Ziel verläuft. Dass die Straße irgendwann in einer langen Brücke endet, war mir durch den Halbmarathon 2011 bekannt. In der Tat wurde dieser "Anstieg" recht schmerzhaft und ich musste erstmals nach 40 km einige Sekunden liegenlassen, was mir aber an dem Punkt völlig egal war.

Schließlich kam ich erstaunlich wohlbehalten auf dem Marktplatz an, wo auch schon die Familie wartete. Die vielen Reporter, die sogar offen ihre "Unfreundlichkeit" zugaben, ließen mich aber nicht zu Atem kommen, sodass mir mitten in einem etwas längeren Satz (der grob diesen Bericht zusammenfassen sollte) die Luft und irgendwie auch fast das Bild ausging. Nach etwas Zielverpflegung war aber alles wieder in Ordnung. Bei tollem Wetter warteten wir noch auf die Siegerehrungen, die von einem echten Georg-Friedrich-Händel-Imitat durchgeführt wurden, und aßen leckere Pasta.

Mein "Experiment Marathon" lief also unerwartet schmerzfrei und unerwartet zügig. Vielleicht ist das sogar ein Rezept für die Zukunft, da ich denke, dass ein richtig ernsthafter Versuch mit "ordentlicher" Vorbereitung in den nächsten Jahren schwierig werden könnte.

Fischi





1 Kommentar:

  1. Gratulation zum einfach mal so einen Marathon gewinnen.
    Vor MDM hatte ich immer wegen der öden Strecke Angst und gewinnen tue ich ja sowieso nicht.

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