Montag, 4. August 2014

On the Chickenway

Wenn man "EBM" bei Google eingibt, so finden sich erstmal Ergebnisse zum einheitlichen Bemesseungsmaßstab bei Krankenkassen, zur "Europäischen Baptistischen Mission" oder zu "electronic body music". Man ist sich sicherlich einig, dass ich mit alledem nicht viel am Hut habe, weshalb wir EBM mal nachfolgend als "Erzgebirgs-Bike-Marathon" annehmen werden, Deutschlands ältesten mit über tausend Startern wohl auch etwas größeren Mountainbike-Rennen im beschaulichen, erzgebirgischsten Seiffen.

Nun bin ich ja nicht unbedingt in letzter Zeit für besondere Radleistungen aufgefallen. Ein Hauptgrund liegt gerade neben mir und schnarcht - zum Glück. Bis vor einer Woche war mir auch noch nicht klar, dass mich dieses Schicksal erwartet, doch als feststand, dass wir sowieso dort sind, stellte sich für mich nur noch die Frage, ob als Flaschendienst (wie die letzten Jahre), oder selbst auf dem Sattel. Auch wenn ich die Idee irgendwie für ziemlich blöd hielt, war ich kurz darauf angemeldet. Natürlich für die lange 100 km-Strecke, denn mein Gedanke war, dass ich die ersten zwei Runden sowieso im Stau stehe und dann auf der letzten Runde nochmal richtig Gas geben kann. Nur gut, dass dieser Plan in der Vergangenheit schon zweifach gescheitert ist und ich durch eklatante Schwächeanfälle und Platten eine Top-100-Platzierung und die damit verbundene Ahead-Kappe knapp verpasste.

Dieses Jahr machte ich mir erst recht wenig Hoffnung, denn meine MTB-Kilometer beschränkten sich auf eine kurze Tandemrunde, die durch einen Kettenriss unterbrochen wurde, und der Radbegleitung beim Rennsteigstaffellauf. Ich nutzte also die verbliebene Zeit, um noch etwas in Form zu kommen. Dank eingehender Erfahrungen bei Etappenrennen wusste ich auch, dass es bei mir nur einiger Tage Radfahren bedarf, bis sich das Ganze wieder recht brauchbar anfühlt.

Meine Aktien standen am Vorabend dann wieder wie gewohnt recht schlecht: Das Tretlager der alten Dame hatte mächtig Spiel, eine Streckenbesichtigung von Mani und Schwiegerpapa verhieß nichts Gutes und Gewitterwarnungen bestimmten die Wettervorhersage. Diese hätte es gar nicht mehr gebraucht, denn so ein Wetterleuchten wie an diesem Abend habe ich noch nicht gesehen. Das Zucken der Blitze ging in eine einheitliche Beleuchtungssituation über...

Am frühen Sonntagmorgen ging es dann dank vielen Umleitungen im großen Bogen nach Seiffen. Dort durfte ich mich gnädigerweise in den vorletzten Startblock einreihen. Mit dem Startschuss ging dann die wilde Hatz auch schon los - zumindest für den Rest der Familie, die allesamt vorne standen. Ich kam in den ersten 5 Minuten (laut Garmin, aber mit Auto-Pause) etwa 500 Meter weit, zum Ende des Anstiegs zur Wettiner Höhe, die es erstmal hinab auf die Einführungsrunde ging.

Unten angekommen und mit jetzt freier Fahrt ließ ich es im Gegensatz zu meinen früheren Versuchen erst einmal recht ruhig angehen. Einige verloren hier schon die Nerven und setzten ordentliche Belastungsspitzen. Naja, vielleicht fuhren sie ja nur die kurze Strecke. Mitten auf der Runde wurden dann energisch Arme als Warnzeichen gehoben. Es lag doch tatsächlich ein Huhn auf der Straße - allerdings ohne Lebenszeichen von sich zu geben. Mein erster Gedanke war, dass der neue "Chickenway" doch erst viel später kommen sollte. Nach dem Rennen erfuhr ich, dass man schon in der Gruppe um Guido und Küfi mächtig Federn fliegen sah, allerdings konnte noch kein Übeltäter gestellt werden. R.I.P. Streckenhuhn.

Mit dem Anstieg zum Alp de Wettin (1 von 4) begann dann das Einreihen in einen schier endlosen Bikerstrang. Besonders auf den schmalen und dank vorangegangenen Unwetter recht matschigen Trails wurde es teilweise sehr eng, aber erstaunlicherweise lief alles recht gesittet ab. Das kannte ich aus früheren Jahren anders.

Nach etwa der Hälfte der Runde kam die spannende Abfahrt hinunter in den Seiffener Grund. Es gab dieses Jahr eine Schiebe- und ein Fahr-Gasse. Wofür ich mich entschieden habe, liegt wohl auf der Hand. Jedenfalls konnte ich durch die Schieberei sogar Plätze gutmachen: Einerseits kam ich zu Fuß schneller runter, als alle anderen - andererseits schmissen sich auf der Flugstrecke doch einige in die Tannen. Laut einem Opi im MDR-Beitrag machte dort eine Wurzel die meisten Probleme "Und da fliegt wieder einer!". Leider war ich mit dem Downhill so beschäftigt, dass ich mir den Spaß nicht angucken konnte. Ich hätte beinahe mein Rad an einer Wurzel verloren und oben liegenlassen...

Nach einigem - für mich fast schon erholsamen - bergan ging es dann auf einen neuen Streckenabschnitt mit viel Rasen und einigen steilen Rampen. So ging es am Skihang immer munter rauf und runter - solange der Vordermann mitspielte. Auf einem Stück nassem Rasen schaute ich dann noch kurz nach, ob auch sauber gemäht wurde. Und Tatsache: Aus der Nähe betrachtet eine 1A-Schnittkante! Nachdem ich mein Bike aus dem Gebüsch gefischt hatte ging es mit viel Moos im Antrieb weiter im Text. Es folgte die Entscheidung, ob man nun eine "technisch anspruchsvolle" Abfahrt oder einen Umweg, den "Chickenway", fahren möchte. Hey, ich hab Familie und Kind, ich bin ein Hühnchen! Und immerhin noch mit mehr Lebenszeichen als das Huhn in der Einführungsrunde, was bitteschön so bleiben soll. Ich war sowieso schon heilfroh, die erste Runde überlebt zu haben, als es ein zweites Mal den Wettin hoch ging.

Nun lichteten sich etwas die Reihen und ein etwas freieres Fahren war nun möglich. Zudem begann ich zunehmend, andere zu überholen. Einzig in der Schiebepassage streikte mein Rad erneut. Ich entschuldige mich hiermit für meine Wortwahl beim nachfolgenden Disput, den ich mit meinem Rad hatte. Immerhin schien es die Zuschauer zu belustigen.

Mit etwas mehr Vorsicht erledigte sich auch der Rest der Runde recht problemfrei und im Start-Ziel-Bereich dünnte sich das Feld erneut final aus. Nur die Schaltung meiner alten Dame entwickelte - wohl matschinduziert - ein gewisses Eigenleben und wählte zwischen eigentlichem und den jeweiligen benachbarten Gängen zufällig und kurzer aber loser Reihenfolge aus. 

Nur Wenige bogen auf die dritte Runde ein. Mir ging es noch erstaunlich gut - so war das geplant. Natürlich habe ich dann direkt eingangs der Runde in den Morast gewälzt und dabei ein etwas das Hautbild im Kniebereich korrigiert. Immerhin war alles unter einer dicken Schlammschicht versteckt und somit vor besorgten Blicken der Ehefrau geschützt. Eben diese reichte mir zur Rundenhalbzeit die finale Cola, die erstaunlicherweise einen schönen Turbo zündete. Ich überholte nun stetig Mitstreiter und brachte die Geschichte konzentriert zu Ende. Kurz überlegte ich, ob ich die Abfahrt anstatt des Chickenways nehme, aber der Kerl vor mir verschwand nach nur wenigen Metern im Nirgendwo und so fuhr ich dann doch lieber geradeaus. Ich reihte mich dann auch direkt hinter ihm ein und er blieb direkt danach mit Defekt stehen...

Noch ein viertes Mal ging es den Alp de Wettin hoch, mittlerweile mit deutlich ausgedünntem Zuschauerspalier. Aber als der Sprecher meinte, dass wir sicher unter den ersten Hundert wären, war ich einfach nur happy. Eine Spur Misstrauen wurde dann im Ziel durch die ersehnte grüne Ahaed-Kappe ausgelöscht. Schon komisch - mit Training hat das nie geklappt...

Meine Schwiegerfamilie war natürlich Stunden vor mir im Ziel. Ellis großer Bruder auf Rang Drei und seine Laura gewann das Ding doch tatsächlich. Küfi war auch gut dabei, aber das will er wohl nicht hören. Er mag die Strecke in Seiffen nicht. Fahren tut er trotzdem.

Ich werde meinem Rad nun den wohlverdienten Winterschlaf gönnen und gegebenenfalls eine Woche vorm EBM 2015 wieder aus dem Keller holen. Ansonsten wird jetzt wieder gelaufen.

Fotoloser Fischi

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