Montag, 27. Mai 2013

Über den Höhenweg des Thüringer Waldes: "Hart, aber schön"



"Der Rennsteig ruft uns in jedem Jahr.
Wir rufen Rennsteig - sind wieder da.
Auf deinen Wegen, mal Berg, mal Tal,
sind wir so glücklich jedes Mal."
                                  Peter Meinold

Da isser wieder, und wie versprochen wurden dieses Jahr keine halben Sachen mehr gemacht. Trotzdem darf man sich anscheinend von so einigen Ultramarathonläufern als Bambiniläufer bezeichenen lassen. Dabei bin ich fest davon überzeugt, dass alles, was auch nur einen Zentimeter länger als 42195 m ist, schon ein Ultra ist...


Aber fangen wir - wie man überflüssigerweise sagt - vorne an:
Für die Anreise habe ich mir, nach reichlicher Erfahrung aus der Vergangenheit (gesperrte Zugstrecken, defekte Triebwagen u.v.m.), extra Urlaub genommen und bin schon vormittags nach Erfurt gefahren. Anscheinend auch wieder ein Fehler, denn irgendwas musste ja passieren und so war ich zur richtigen Zeit an der falschen Stelle, als ein Steinchen auf der A4 bei Chemnitz gerade über die Autobahn flog. Dieser traf dann auch meine Frontscheibe und hinterließ einen wundervollen Puntdefekt mitten im Sichtfeld. Wunderbar, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Und das Schlimmste daran ist, dass mein Trans-Schwarzwald-Rider-Aufkleber nun wech ist (Falls jemand noch Ersatz hat, bitte melden!).

Am Samstag wachte ich dann ganz ohne Wecker pünktich auf und mit Vatis Ersatzfahrzeug setzte sich die ganze (+angehende) Familie Fischer in Bewegung. Dabei nahmen wir auch gleich Vereinskollegen Adrian mit, dem dieses Jahr die würdevolle Aufgabe bevorstand, den Rennsteiglauf zu gewinnen, denn das musste man schon, wenn man bei uns in der Vergangenheit mitfahren wollte.

Im Vorfeld wurde sich ja ausgiebig über das sogenannte Wetter verrückt gemacht und so war ich recht erstaunt, als die Sonne langsam zum Vorschein kam. Dabei hatte man mir 2° C und Dauerregen versprochen! So wollte ich extra meine neue Oberbekleidung der Kollektion "Mülltüte" und darunter ein Teilnehmershirt aus Sondershausen ("Ich war unten!") präsentieren, was ich auch tat, bis es mir bei Rennsteiglied und Schneewalzer warm genug wurde, um mich etwas zu schälen. Es ist außerdem völlig einmalig, wie viele bekannte Gesichter man beim Rennsteiglauf sieht, so wird man alleine durch Smalltalks, den Wegen zwischen Meldebüro, Toilette, Sporthalle, Toilette, Kleiderbeutelabgabe, Toilette, Start und schlussendlich dem Geschunkel schon warm genug.

Als es dann endlich los ging, stürmte das Feld natürlich sofort in den ersten Anstieg hinein. Ich vermute, dass ich beim Überqueren der Startmatte (die etwa 100m hinter der Startlinie lag, was sich schon häufiger als Rettung für gewisse Zielzeiten entpuppt hat) ca. an 30. Position lag. Nach einem Kilometer hatte ich dann ein kleines Grüppchen zusammen mit Marcel gefunden und wir folgten der B281 hinaus aus Neustadt. Schon bald hatte der Herr Holesch einen Platten und machte sich an der Schnürung deines Schuhs zu schaffen. Ich rief nur "Holesch, Anfängerfehler!" und kontrollierte erstmal, ob bei mir noch alles da sitzt, wo es sollte. Wir folgten also der vor uns liegenden (oder viel mehr laufenden) Gruppe um Chunky und Lennart unauffällig. Ich glaube, wir waren etwa zu viert, wobei ein älterer Herr (???) und ein etwas kräftigerer Kerl dabei waren. Als der ältere Mann dann plötzlich bergab am Gashahn zog, schauten Marcel und ich uns nur ungläubig an. Irgendwie kam ich mir vor, wie im falschen Film, aber unsere Begleiter hatten sich wohl auch schnell wieder nach hinten verabschiedet, als es ins Gelände ging. Auch von Marcel fehlte nach dem netten "V" bei Scheibe-Alsbach jede Spur, und so verfolgte ich einen Läufer vor mir, der mir gänzlich unbekannt war. So richtig konnte ich lange Zeit nicht entziffern, was da hinten auf ihm drauf stand und vermutete "EGYPT". Knapp daneben ist auch vorbei: "ERYRI" stand da drauf (gut, dass es Ergebnislisten gibt - ich wollte es mir merken, aber nach 10 Sekunden war es weg.), es handelte sich wohl um einen Waliser.

Nun fühlte ich mich einige Kilometer recht einsam, bis nach Friedrichshöhe Heiko Ludewig aus dem Gebüsch gestürmt kam, aber sofort bergab außer Sichtweite rollte. Wieder ohne Sichtkontakt auf irgendjemanden ging es dann hinauf zur Zwischenwertung auf dem Masserberg, wo auch ordentlich Stimmung herrschte. Im Ort angekommen konnte ich sogar mal einen letzten Blick auf Platz drei und vier (Chunky und Lennart) werfen, bevor sie Richtung Halbmarathonmatte auf der gegenüberliegenden Hangseite verschwanden. Dort traf ich auch ziemlich pünktlich an und hatte nun den interessantesten Teil des Rennsteiglaufes vor mir. Der Hohlweg, welcher ja schon im trockenen Zustand ein gewisses Verletzungspotential birgt. Der Erste meiner jetzt fünf Rennsteigmarathons hat hier ja bleibende Spuren hinterlassen. Zusätzlich zum Matsch gab es hier noch eine Unmenge an Tannenzapfen - hier hätte ruhig mal einer feucht durchwischen können! Jedenfalls ließ ich dieses Jahr - hauptsächlich aus familären Gründen - Vorsicht walten und musste keines der drei Sani-Zelte in Anspruch nehmen.

Generell war es dieses Jahr streckenweise recht matschig und ich gab mein Bestes um diese Stellen zu umschiffen, damit nicht ein paar Extra-Kilo am Schuh hängen bleiben. Getreu Murphy's Law traf ich aber fast immer die falsche Entscheidung bezüglich der optimalen Route, sodass mir ein paar Kneipp-Kuren nicht erspart blieben. Der Fakt, dass sich ein Saucony Fastwitch mittlerweile wohl schon nach 200 Kilometern in seine Bestandteile auflöst, half dabei nicht unbedingt bei der Bekämpfung der eindringenden braunen Pampe.

An der Schwalbenhauptwiese angekommen erspähte ich auch schon ein klitzekleines Rad'n'Roll-Trikot. Hier wartete Patrick auf mich und gefühlt ging hier das Rennen erst richtig los. Um es kurz zu machen: Patrick schrie mich immer wieder an und motivierte mich, das "Tempo" aufrecht zu erhalten und Druck zu machen. So schallten immer wieder von nahegelegenen Straßen irgendwelche Zurufe durch den Wald. Das müsste eigentlich jeder Läufer im Umkreis von 2 km gehört haben, falls es da noch ungeklärte Mysterien gibt.

Auch gab er keine Ruh, dass ich mir unbedingt so einen komischen Marshmallow in die Backen stopfen sollte. Da ich mir das nicht länger anhören wollte, nickte ich das Vorhaben ab und rannte die nächsten Minuten wie ein Hamster durch die Gegend. Da die Dinger aber beim Atmen störten, flogen sie in einem unbeobachteten Moment in den Wald. Mögen sich die Eichhörnchen drum kümmern...

Kurz vor Kahlert bekam dann die Zeile der Rennsteiglauf-Hymne "So viele Freunde am Wege steh’n, in Schmiedefeld das Wiederseh’n." die bestmögliche Bedeutung: Zu meiner großen Überraschung stand zweimaliger Rennsteiglaufsieger und ehemaliger Vereinskamerad Alex am Streckenrand. Dann ging es noch munter durch und um Neustadt weiter, bis zu dieser vermaledeiten Stelle bei Kilometer 31, wo der Weg beim sogenannten "Burgberg" plötzlich senkrecht nach oben führt. Zu 3/4 im Delirium kam ich oben an und konnte erstaunlicherweise sofort wieder etwas Druck aufbauen und die folgenden - zum Glück eher sanfteren Anstiege - relativ kraftvoll bewältigen.

Mittlerweile schallte es nur noch "Bauchnabel nach vorn!", "Kinn nach unten!" oder "Auf dem Vorfuß bleiben!" durch den Wald. Besonders Sachen wie "Über die Kuppe wieder Tempo aufbauen!" erhöhten zunehmend meinen Wutpegel, aber widersprechen kostet zu viel Kraft und so konzentrierte ich mich darauf, dem Letschow alles recht zu machen.


Irgendwann kam dann auch endlich die ersehnte 42,195er-Matte am Ortseingang von Schmiedefeld und damit das nahende Ende. Getragen von den Zuschauern (selber laufen durfte man aber trotzdem) gab es die letzten Höhenmeter und den grandiosen Zieleinlauf. Mit perfektem Timing ging es über die Matte. Zeit für einen Ziel-Kuss wie gewohnt war aufgrund der tickenden Laufzeit leider nicht. Was folgte, kann man wohl am besten mit den Worten von USV-Chef Jens umschreiben: "Wenn du gekotzt hast, warst du am Limit."


Danach zeigte der Rennsteiglauf seine einmalige Seite: So viele Freunde, wie in Schmiedefeld, trifft man wohl wirklich in keinem anderen Ziel der Welt, zumindest nicht, wenn man in der Thüringer Laufszene groß geworden ist. So kann der Weg zu den Duschen auch mal eine halbe Stunde dauern, da man ständig angesprochen wird. Und in den Duschen stellte ich mal wieder fest, dass ich wieder einmal deutlich dreckiger als die meisten anderen war. Meiner Theorie nach sind die doch alle ab der Schwalbenhauptwiese auf der Straße gelaufen!

Hmm, wohin mit der Iso?
Zur Siegerehrung gab es dann noch eine Überraschung, da man mich als Sieger der Studentenwertung ausgerufen hat. Da aber der Lennart deutlich flotter unterwegs war, konnte das ja schlecht sein. Also weigerte ich mich, dieses Podest zu betreten, bis der Vorfall geklärt ist. Schließlich sollten wir beide auf Platz Eins stehen, was ich mal als schnelle und unkomplizierte Lösung loben möchte. Besonders für Sperli, der sonst "vom Podest gefallen" wäre und schon beinahe auf dem Rückweg war, war das natürlich vorteilhaft.

Somit wäre also das sportliche Highlight am Samstag erledigt und wir ließen den Tag im "Vereinsheim" des USV Erfurt ausklingen. Schön war's, wie erhofft, aber auch hart, wie versprochen. Nur das Wetter hat sich nicht an die Abmachung gehalten, aber es gibt ja noch den 42. beim nächsten Mal. Und da weiß ich auch schon, welches Handtuch ich mitnehme...

In diesem Sinne:
"Hei, hei, hei, ho, im nächsten Jahr,
sind wir alle wieder da."



Runners are different.
 Fischi

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